Hintergrund zu den Arbeiten von Nicole Schuck

Nicole Schucks Arbeiten umfassen Zeichnungen, Erzählperformances und Installationen. Im Zentrum ihrer Auseinandersetzung stehen die Themen Wildtiere, natürliche Umwelt und urbane Lebensräume. Nicole Schuck verbinde natürliche und künstliche Lebensräume miteinander und geht in visuell und verbal wachsenden Assoziationsräumen Fragen der individuellen Verortung nach. Im Vorfeld recherchiert sie in verschiedenen Regionen und Ländern, um Wirklichkeiten aufzuzeichnen, in denen sich dokumentarische und fiktionale Bilder und Geschichten überlagern, vermischen oder gleichwertig nebeneinander stehen.

Die Überlappung unterschiedlicher Bereiche interessiert Nicole Schuck seit Jahren: Topografische Merkmale überlagern sich beispielsweise mit detaillierten tierischen Formen und Assoziiertem. Die grundlegende Idee ihrer Arbeiten ist es, Erkenntnisse aus einer Verbindung von Kunst, Wissenschaft, Geschichten, Erfindungskraft und Beobachtung, Zufällen und Fehlern zu ziehen und mit diesem Wissenskonglomerat über unsere Umwelt zu reflektieren und dieses zu visualisieren.

Mit dem 2006 auf Island entstandenen Projekt „Pelzländer“ beginnt das Kartografieren bestimmter Gebiete mittels dort lebender Wildtiere. Eine Reihe von Projekten ist seitdem in den Mittelpunkt gerückt, die den Titel „Zeittiere und ...“ tragen. Alle beginnen mit einer Feldforschung: Informationen zum jeweiligen Lebensraum von Tier und Mensch werden zusammengetragen. Gespräche, Ortsbegehungen und Kooperationen mit Spezialisten wie Biolog/innen, Zoolog/innen, Naturschützer/innen und Einheimischen sind wichtige Bestandteile. So entsteht ein erweitertes Verständnis der Fauna und des gemeinsamen Lebensraumes, welches eine neue Ebene in den Zeichnungen und Installationen erwachsen lässt und sie in eine eigene Form transformiert.

Die jeweiligen Projekte umfassen oft Serien von Zeichnungen, die auf den ersten Blick detaillierte zeichnerische Betrachtungen von Wildtieren zu sein scheinen. Hierbei lässt Schuck sich von den im Laufe der Auseinandersetzung aufgeworfenen Fragestellungen zu Natur im Zusammenspiel mit menschlichen Lebensräumen leiten: Lässt sich Landschaft oder Stadt durch die dort wildlebenden Tiere darstellen? Was ist, wenn ein Körper aufgrund veränderter Lebensbedingungen (wie Klimawandel, Naturkatastrophen, Nahrungsmittelknappheit) nicht mehr in die Landschaft passt, in der er heimisch ist? Bei genauerer Betrachtung der Zeichnungen wird die Fragmentierung und das Einfließen andersartiger Strukturen in einen Tierkörper sichtbar. Fremdartige und topographische Elemente verdichten sich in der Physiognomie des Tieres. Parallel hierzu entstehen Zeichnungen, deren Grundlage ebenfalls das jeweils gesammelte Material bildet. Hier gilt das Hauptaugenmerk jedoch dem Imaginierten und frei Assoziierten: Linien wachsen aus Tierfellen, werden zu neuen Organismen und Formationen. Das Weiß des Zeichengrundes, die unbezeichnete Fläche, ist ebenso wichtiger Bestandteil der Zeichnung wie die gezeichneten Elemente selbst.

Seit 2003 arbeitet Nicole Schuck mit Formen des performativen Erzählens, das auf einer Bühne und als Interventionen im öffentlichen Raum stattfindet oder als Teil einer Kartografie eingesetzt wird. Die Länge variiert dabei von einer halben Stunde bis zu mehreren Stunden, wenn es sich um einen Erzählspaziergang handelt. Zu den Erzählspaziergängen lädt sie neben dem Publikum meist Spezialist/innen ein. Dazu können beispielsweise ein Orientierungsläufer, ein Jäger, eine Müllerin i.R. und ein Biologe gehören, mit denen in der Recherchephase bereits ein enger Austausch stattgefunden hat. Schuck verknüpfe in den Erzählperformances – wie in den Zeichnungen – Dokumentarisches mit Fiktivem. Durch präzise Beschreibungen imaginärer Landschaften und räumlicher Situationen mit ihren Erzählungen, entstehen beim Publikum innere Bilder und Filme, die von Nicole Schuck jederzeit und überall „gezeigt“ werden können. Die Liveerzählungen leben vom Moment der Aufführung und vom Weitererzählen, deswegen sind die Dokumentationen auf wenige Fotografien beschränkt.

Der Austausch und die Kooperation mit Vertreter/innen unterschiedlicher Disziplinen, Wissenschaftler/innen, Theater-Produktionen und interessierten Personen ist seit Langem ein Bestandteil Schucks Arbeit. Unter anderem wurde sie 2017 für das Stipendium Expedition Wissenschaft und Kunst vom Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) in Delmenhorst in Kooperation mit dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) ausgewählt ihr Projekt „Geschätzte Tier - Natur-Kapital“ zu realisieren. 2013 wurde Schuck gemeinsam mit dem Künstler Beat Brogle für ein Forschungsprojekt eingeladen in Anbindung an die ZiF-Forschungsgruppe 2012/2013 zum Thema „Wettbewerb und Prioritätskontrolle in Geist und Gehirn: Neue Perspektiven aus der Forschung zu Aufmerksamkeit und Sehen“. Leitung: Werner Schneider (Bielefeld), Wolfgang Einhäuser-Treyer (Chemnitz), ZiF-Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Universität Bielefeld.

2005 gründete Nicole Schuck zusammen mit drei bildenden Künstler/innen und einer Kunsthistorikerin die Gruppe „adapter“. Zusammen mit Wissenschaftler/innen und weiteren Gästen realisierte „adapter“ in unterschiedlichen Konstellationen gemeinsam Objekte zu bestimmten Themen, sogenannte Adapter, die anschließend präsentiert wurden.


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